Einen der besten Hotelaufenthalte, die wir jemals hatten (und wir sind recht verwöhnt!), war im Sebastianeum in Bad Wörishofen – verbunden mit einer Kneipp-Kur: erholsam, gut für Körper und Seele und effektiver, als viele weichgespülte Wellness-Angebote.
Das Sebastianeum betreibt TEM (Traditionelle Europäische Medizin), basierend auf der Lehre von Sebastian Kneipp.
Pfarrer Kneipp gründete das Sebastianeum 1891. Als junger Mann litt er unter Tuberkulose und heilte sich selbst, indem er täglich ein Bad in der eiskalten Donau nahm. Daraus entwickelte und verfeinerte er seine Methode bis zu seinem Lebensende.
Die Wirksamkeit einer Kneipp-Kur ist empirisch belegt: Anwender berichten von Linderung diverser Beschwerden, verbunden mit einer deutlichen Steigerung der Energie und des Wohlbefindens. Und das funktioniert so: Körperteile werden abwechselnd warmem und kaltem Wasser ausgesetzt, die Venen erweitern sich dabei oder ziehen sich zusammen, so dass die Flexibilität des Gefäßsystems trainiert wird. Außerdem härtet kaltes Wasser ab, weil es den Körper daran gewöhnt, sich von einer leichten Unterkühlung wieder auf seine normale Temperatur aufzuheizen.
Saunieren, so Dr. Ohlert, Chefarzt des Hauses, trainiere den Körper, mit Hitze umzugehen. Die anschließende Abkühlung helfe lediglich dabei, den Körper aus seiner Überhitzung wieder herunter zu kühlen. Das Problem in unseren Breitengeraden sei aber eher, dass der Körper lernen soll, mit Kälte umzugehen, und dies gelinge durch eine Kneipp-Kur auf hervorragende Weise.
Die Forschungslage zur Wirkung einer Kneipp-Kur ist immer noch jämmerlich dünn. Es scheint aber, dass sich Kneippen positiv auf Herzinsuffizienz auswirkt, dass die Leistung der Venen verbessert wird und es insgesamt gut ist für das Immunsystem sowie die Leistungsfähigkeit. Eine Studie fand, dass nach einer Kneipp-Kur die Zahl der Lymphozyten (sie bekämpfen Krankheitserreger) um 13 Prozent anstieg.
Leider hat die Kneipp-Kur bis heute den Nimbus einer nassen, kalten, ungemütlichen Angelegenheit, die eher etwas für ältere Leute ist. Diesen Ruf hat die Kur übrigens selbst bei etlichen älteren Leuten, die wir dazu befragten … eine grandiose Leistung des seit über 110 Jahren tätigen Kneipp-Bundes, dem Dachverband für die rund 600 Kneipp-Vereine in Deutschland.
(Wir haben übrigens auch einen in Haidmühle. Und sogar einen Kneipp-Kindergarten.)
Nass ist eine Kneipp-Kur in der Tat, kalt für kurze Momente auch, aber gar nicht ungemütlich. Führen, wie im Sebastianeum, professionelle Therapeuten die Güsse durch, sind selbst Ganzkörperwechselgüsse eine schöne und angenehme Erfahrung, von der man gar nicht mehr lassen möchte!
Jeder Gast, der eine Pauschale oder ein zusätzliches Anwendungs-Paket bucht, wird im Sebastianeum von einem Arzt untersucht, der dann die geeigneten Behandlungen empfiehlt. Das reicht vom Wechselguss über Kaltgüsse bis hin zu Warmgüssen und Leibwickeln verschiedener Art.
Kommen wir zu den Details:
Die Zimmer
Wir können lediglich die Zimmer im neuen Gebäudeteil (Raffaelflügel) bewerten. Unser Premiumzimmer wirkte wie ein Zimmer „von der Stange“ einer großen Hotelkette: groß, praktisch, ein wenig langweilig, aber keineswegs unangenehm. Die Betten sind gut, man hat Platz, und das Bad ist besser ausgestattet als so manches Bad berühmter Luxushotels. Außerdem war das Zimmer auffallend ruhig: Von Nachbarn oder Außenlärm hörte man rein gar nichts. Das WLAN-Signal (kostenlos) ist erfreulich gut.
Das Essen
Kneipps Therapiemethode basiert auf fünf Säulen: Hydrotherapie (Wasser), Phytotherapie (Kräuter), Bewegung, Ernährung und Lebensordnung – und ist damit wohl „das einzige ganzheitliche naturheilkundliche Verfahren in Europa“. Im Sebastianeum sind daher Essen und Kräuter wichtig, ebenso wie die anderen Komponenten. In der Teestube stehen allerlei Tees zur Auswahl (kostenlos), zu deren Genuss die Geschäftsleitung ausdrücklich ermuntert. Das Essen ist von sehr ordentlicher Qualität und Auswahl. In unserer Woche bekamen wir reichlich Abwechslung geboten. Nützlich: Die kcal der Speisen sind jeweils angegeben. Die Biere (sehr lecker) sowie die Weine (in Ordnung, aber keine Offenbarung) stammen aus europäischen Klöstern.
Die Stimmung
Auffallend war der gute Geist im gesamten Haus. Die Angestellten und die Geschäftsführerin sind freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit und stets präsent. Träger des Hauses ist der Orden der Barmherzigen Brüder.
So ist auch kein Zimmer ohne Kreuz. Mittags betet der Hausgeistliche ein Tischgebet und allabendlich findet in der hauseigenen Kapelle eine Andacht statt. Wir, die wir in der Adventszeit im Sebastianeum waren, fanden diesen „Geist“ weder lästig noch aufdringlich, sondern einfach nur wohltuend anders.
Fast jeden Tag wurde abends ein Programm geboten – vom Vortrag, über ein Zusammensein mit Feuerzangenbowle, bis hin zum Adventskonzert.
In jedem der unzähligen Wellnesshotels kann man „Behandlungen“ buchen. Diese dienen hauptsächlich dem Wohlfühlen, eben der Wellness. Im Sebastianeum (und auch im angeschlossenen Kneippianum) geht es stattdessen intensiv um die Gesundheit.
Das sorgt für ein Klima im Haus, welches an dasjenige der alten, abgelegenen Heilanstalten über Davos erinnert, von dem wir wissen, dass der eine oder andere Gast nach einiger Zeit gar nicht mehr abreisen wollte, weil das „Zauberberg-Syndrom“ zugeschlagen hatte. Uns erging es ähnlich – wir hätten problemlos noch Wochen bleiben können. Viele Gäste des Sebastianeums sind oder sehen sich als Patienten, was das Verhalten der Gäste miteinander beeinflusst. Man geht aufmerksamer miteinander um, man grüßt sich und kommt leicht mit anderen Gästen ins Gespräch. Alles, auch das Verhalten des Personals, hat eine außergewöhnlich freundliche und familiäre Note.
Lage und Anlage
Das Sebastianeum liegt zentral direkt an der Fußgängerzone, nicht weit von Bahnhof und Kurhaus. Parken kann man in der geräumigen, beim Haus liegenden Parkgarage. Wer neben seinen Anwendungen noch Zeit findet für weitere Entspannung hat ausreichend Gelegenheit dazu. Es gibt eine ansprechende Saunalandschaft, einen Frischluftraum (besonders schön bei Schnee), ein Schwimmbad, ein Thermal-Sprudelbecken und einen großen Park. Daneben werden Morgen- und Atemgymnastik, Pilates, Nordic Walking und vieles andere angeboten.
Fazit
Wer für die Erfahrung eines solchen Hauses offen ist, wer keinen Wellness-Durchschnitt sucht, wer nicht jedem Trend hinterher läuft, wird sich hier pudelwohl fühlen. Wie gesagt: Wir wollten gar nicht mehr abreisen und werden wiederkommen. Das Sebastianeum erscheint wie ein aus der Vergangenheit herüber gerettetes Kleinod, das bewahrenswert ist. Kneipps Geist weht sehr wohltuend durch das Haus.
Pfarrer Kneipp würde sich im Grabe umdrehen – mehrmals!
Das Sebastianeum wirbt mit Pfarrer Kneipp und mit WLAN,
Widersprüchlicher geht es nicht. WLAN macht krank – ohne wenn und aber. Nicht jeden und oft nicht sofort, aber es wirkt. Ich spare mir hier, die Beweise und Studien aufzuführen, die werden schon von den Spatzen auf dem Dach kundgetan. Aber leider nicht gehört, ist ja alles so bequem und fortschrittlich. Gottlob sehen aber immer mehr die Zeichen der Zeit und haben begriffen, wie wir im Sinne des Fortschritts auf den Arm genommen werden. Immer mehr Hotels u.ä., vorwiegend im Ländle und in der Schweiz werben damit, kein WLAN zu haben und mobilfunkfrei zu sein. Die haben begriffen, dass zum Wellness und zur Erholung etwas anderes gehört, als sich durch Mikrowellen bestrahlen zu lassen und dem Fetisch der ständigen Erreichbarkeit zu frönen. Hotels mit WLAN sind von gestern, ich fürchte allerdings , dass im Bayerwald das gestern als anstrebenswert gilt, bevor mal das heute angestebt wird. Hier würde eine Chance liegen, den anderen vorauszusein – eben die wahre Erholung zu bieten.