von Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group
Wer die Förderung und Nutzung von Erdöl stoppen möchte, darf am Plastik nicht vorbeischauen. Denn Plastik wird fast immer auf der Basis von Erdöl oder Erdgas hergestellt.
Plastikverschmutzung gehört zu den nunmehr sechs von neun planetaren Grenzen, die bereits überschritten wurden. Bislang ungebremst verseuchen die Plastikströme von Makro- und Mikroplastik unsere Weltmeere, die Böden und sogar das Trinkwasser.
Bildquelle: Greenpeace 2021 „Klimakrise unverpackt“
Seit Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Menschheit rund 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Das entspricht ungefähr dem Gewicht von 822.000 Eiffeltürmen. Nur 9 % dieses Plastiks wurde recyclelt.
Die tödlichen Folgen der Plastikverschmutzung
Die Folgen sind tödlich: Mikroplastikpartikel sind allgegenwärtig, in der Luft, in der Nahrung, im Trinkwasser, auf den entlegensten Gletschern. Sie gelangen in die Nahrung und so in unsere Körper. Mikroplastikbedingte Krankheiten bei Menschen und Tieren nehmen immer weiter zu. Jedes Jahr sterben im globalen Süden Millionen Menschen an unserem ungelösten Müllproblem. Ob Kamele in der Wüste oder Großfische in den Meeren – Abermillionen Tiere verenden am Fraß von Plastik.
Kampf gegen Plastik ist Klimaschutz
Der Kampf gegen Plastik und für eine Kunststoff-Kreislaufwirtschaft kann gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen:
Co2 Ausstoß senken: In jeder Phase des Lebenszyklus von fossilen Kunststoffen werden Treibhausgase freigesetzt. Zum Einen fallen bei der Produktion von Kunststoffen auf Basis von Erdöl oder Erdgas jedes Jahr weltweit 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid an. Dazu kommen die Emissionen, die aus der Müllverbrennung stammen. Aktuell landen 53% Prozent des Plastiks direkt in der Müllverbrennung.
Eine lukrative Abnahmequelle für fossile Unternehmen stoppen: 16 % der in Deutschland verbrauchten 103 Millionen Erdöl gehen in die Petrochemie, zu der die Produktion von Plastik, Polyester und anderen Kunststoffen gehört. Seit der Bedarf für Erdöl durch die Ausbreitung erneuerbarer Energien sinkt, ist die Plastikproduktion ein willkommener wachsender Markt für ExxonMobil, Shell, Chevron und Co. Sie verkaufen ihr Erdöl nun an Coca-Cola, PepsiCo, Nestlé, Unilever und andere große Plastikproduzenten. Tendenz steigend.
Greenpeace beschreibt im Report „Klimakrise unverpackt“ diese Zusammenhänge von Erdöl und Plastik. Leider zeigt auch dieser Report am Ende keine echte Lösung auf, weil die Lösungsvorschläge ausschließlich auf Mehrweg und Recycling setzen, was die Probleme zwar reduziert, aber eben nicht löst.
Es ist also höchste Zeit, dass Politiker aller Ebenen endlich die Weichen für ein schnelles Ende der Plastikverseuchung stellen.
Politische Ansätze gegen Plastikverschmutzung greifen zu kurz
Leider sind aktuelle politische Ansätze bislang viel zu zaghaft und oberflächlich.
Globale Ebene:
[Dieses Jahr lief] eine globale Regierungskonferenz in Uruguay gegen die globale Plastikverschmutzung. Ein erster Lichtschimmer: Bereits 140 Länder haben sich in diesem Rahmen für ein weltweit verbindliches Abkommen gegen Plastikverschmutzung ausgesprochen. Allerdings mit dem mageren Ergebnis, in zwei Jahren konkrete Vorschläge zur Plastikmülleindämmung vorzulegen.
Europäische Ebene: Auch Brüssel hat vor kurzem einen neuen Entwurf vorgestellt, wonach die Quoten für Wiederverwendung von Verpackungen in der EU steigen sollen. Demnach sollen Mehrwegverpackungen in vielen Segmenten zwischen 10 und 20 % Mehrwegverpackungen bis 2030 ausmachen. Im Klartext: bis 2030 dürfen 80 bis 90% der Verpackungen Wegwerfprodukte bleiben.
Diese Vorgaben sind schlicht eine Kapitulation vor der Verpackungsmüllflut.
Deutsche Ebene: Die Bundesregierung geht da etwas schärfer ran und will nach dem Verursacherprinzip die Produzenten von Müll an den Kosten der Stadtreinigung in Parks und Straßen beteiligen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass 53% der eingesammelten Kunststoffe dann doch in der klimaschädlichen Müllverbrennung landen.
Der gesamte Kunststoffsektor ist – wie die gesamte Chemieindustrie – Lichtjahre von einer echten Kreislaufwirtschaft entfernt, also einer Reduzierung der Abfälle und Emissionen gen Null.
Recycling reicht nicht aus
Mehrwegquoten, Recyclingquoten, Kostenbeteiligungen der Produzenten an der Müllbeseitigung, Verbesserungen der Einsammelsysteme: sie können nicht verhindern, dass die dem Recycling zugeführten Kunststoffe spätestens nach mehreren Recyclingschlaufen – dem sogenanntem Downcycling – bestenfalls in der Müllverbrennung und schlimmstenfalls im Meer landen. Denn immer noch wird angeblich „recyceltes“ Plastik in Länder des globalen Südens verschifft und landet dort auf illegalen Müllkippen. Die meisten Wegwerfverpackungen enden also in Flüssen und Meeren, in Wäldern und Feldern.
Alle Vorschläge in dieser Kategorie können die Plastikmüllverseuchung vielleicht etwas verringern, aber mit Sicherheit nicht stoppen.
Kreislaufwirtschaft geht nur mit Biokunststoffen
Eine echte Kreislaulaufwirtschaft kann nur am Anfang des Materialkreislaufs ansetzen. An diesem müssen Materialien als Grundstoff für Plastikprodukte eingesetzt werden, welche nach der Nutzungsdauer vollständig wieder zur Verfügung für neue Produkte stehen.
Erdöl und Erdgas, neben Kohle die wichtigsten Basismaterialien aus denen Kunststoffe gewonnen werden, werden nie zu einer Kreislaufwirtschaft führen. Denn Kunststoffe können nach ihrer Nutzung keine Erdöl- und Erdgasfelder wieder auffüllen.
Quelle: European Bioplastics e.V.
Basismaterialien sollten daher natürlich sein und idealerweise aus Pflanzen, Pilzen oder Algen produziert werden: darunter Pflanzenöle, Milchsäure, Pflanzenstärke, Faserstoffe oder Holz. Inzwischen können aus Algen sogar hochwertige Kunststoffe hergestellt werden. Nach der Nutzungsdauer können Biokunststoffe kompostiert werden und den Humus oder Algendünger bilden, aus dem neue Pflanzen und Algen für die Kunststoffproduktion wachsen. Selbst weggeworfene Biokunststoffe würden in der Landschaft oder im Meer einfach verrotten. Ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf würde entstehen und die Klimabelastung verschwinden. Von Tieren und Menschen aufgenommene Biokunststoffprodukte würden – wenn sie nicht mit schädlichen Zusatzstoffen versehen werden – gesundheitlich verträglich sein. Es gibt inzwischen umfangreiche Ansätze zur Umstellung auf biobasierte Lösungen.
Biokunststoffe werden zu Unrecht abgelehnt
Merkwürdigerweise finden sich in den Vorschlägen der Weltgemeinschaft, der EU und auch der Bundesregierung keine weitgreifenden Vorschläge, auf Biokunststoffe umzustellen. Eine vollständige Umstellung auf Biokunststoffe bis 2030 würde einen wesentlichen Klimaschutzbeitrag liefern und die weitere Plastikverseuchung stoppen. Nach über 20 Jahren erfolgreicher Forschung im Bereich Biokunststoffe liegt der Marktanteil von biobasierten Kunststoffen im Kunststoffverpackungssegment zurzeit unter einem Prozent.
Die Gründe sind schnell gefunden: Zum einen verhindert die Lobby der Erdöl- und Erdgaswirtschaft nicht nur höhere Recyclingquoten, sondern auch eine stärkere Durchdringung von Biokunststoffen.
Zum anderen sind viele Verwerter wie die Kompostierer unwillig. Sie müssten ihre Anlagen so umbauen, dass Bioplastik mit seinen längeren Verrottungszeiten gegenüber Bioabfällen gut mitkompostieren kann. Stattdessen lehnen sie die Mitverrottung von Bioverpackungen ab und befördern so das Verbleiben der Verpackungen aus Erdöl und Erdgas.
Aber auch viele Naturschutzverbände gehören zu den Verhinderern von Biobasierten Kunststoffen. Sie fürchten, dies würde zu einer Ausweitung der intensiven klimaschädlichen Landwirtschaft führen. Dabei ließen sich auf vielen marginalen Flächen, die weltweit heute brach liegen, große Mengen Pflanzen für Biokunststoffe biologisch anbauen. Meeresalgen können großflächig und naturnah angebaut werden. Beides würde sogar große Kohlenstoffsenken schaffen und so zum Klimaschutz beitragen.
Für Klimaschutz und Kampf gegen Plastik gilt: Keine Plastikproduktion aus Erdöl und Erdgas
Es wird Zeit, dass Regierungen die Plastikverseuchung an der Wurzel anpacken und Erdöl wie Erdgas aus der Kunststoffproduktion zunehmend verbannen. Neben einer Erhöhung von Recyclingquoten müssen sie auf eine Kreislaufwirtschaft auch bei Kunststoffen hinarbeiten. Nur so kann die Plastikverseuchung der Welt gestoppt werden.