Natürlich war früher nicht alles besser , das scheint nur in der Erinnerung so. Wir neigen dazu, alles zu glorifizieren, was „früher“ war, aber kaum etwas davon stimmt, schaut man genauer hin. Was allerdings nach meinem Empfinden früher tatsächlich schöner, ja besser war, war Weihnachten. In den 50er und 60er Jahren waren die Mittel (immer noch) knapp. Adventskalender gab es nur in der Simpelausführung auf Papier mit ein wenig Glitzer drauf, wo sich hinter jedem Türchen ein Bild zeigte, die Luxusvariante war die mit Schokolade. Anders als heute, wo die aufwändigen Adventskalender 24 Geschenke haben, die jedes für sich schon ein tolles Weihnachtsgeschenk für uns Kinder von damals gewesen wäre. Weihnachten fiel in der Regel bescheiden aus. Man war schon glücklich, wenn man ein paar Holzbauklötze, Cowboy- und Pferdchenfiguren, ein Spielzeugauto, einen Pelikan-Füllfederhalter, eine Kinderpost oder (das höchste der Gefühle) eine Barbie bekam. Was konnten wir uns darüber freuen! Geschenke waren ja so selten. Schauen Sie sich heute ein durchschnittliches Kinderzimmer an. Es schaut aus wie in einem Spielwarenladen, eigener Fernseher, Smartphone und Spielekonsole inklusive.
Damals wurden auch nicht Kochbücher oder Gourmetzeitschriften gewälzt, bis man endlich das ultimative Weihnachtsessen kreiert hatte. Es gab zu Weihnachten eben das, was es immer gab: Am Heiligen Abend Würstel mit Kartoffelsalat, am 1. Feiertag Ente oder Gans mit Knödeln und Blaukraut und am 2. Feiertag einen Braten mit Zubehör. Gebacken wurde natürlich auch, aber die Plätzchen, die in einer gewaltigen Truhe verstaut waren, gab es erst und gnadenlos zum 1. Advent. Es gab auch keine exotischen Kreationen, sondern traditionelle Sorten, Lebkuchen, Zimtsterne, Vanillekipferl, Makronen.
Die Deko war schlicht. In der Adventszeit wurden meist selbst gebastelte Strohsterne ans Fenster geklebt oder ein Schwippbogen aufgestellt. Der abscheuliche Gummi-Weihnachtsmann, der heute die Balkons erklimmt und die Lichterketten, die spätestens ab Mitte November Häuser und Gärten erleuchten, waren Gottlob noch nicht erfunden. Am Baum hing das giftige Lametta aus Blei, ein paar selbst gebastelte Sterne aus Stroh, Glaskugeln, Holzfiguren, weiße oder rote (echte! keine LED-) Kerzen, das war’s. Der schicke Designer-Christbaum in jährlich abwechselnder farblicher Kreation war auch noch nicht erfunden. Der Baum wurde auch erst am Tag des heiligen Abend geschmückt. Wir wurden unterdessen nach draußen geschickt (allein! shocking!!), damit wir aus dem Weg waren. Wer wie ich in den Bergen aufgewachsen ist, hatte fast immer weiße Weihnacht. Und so rodelten wir auf dem nahen Hügel oder flitzten auf Schlittschuhen über den Kurparksee. Und das auch ganz ohne Thermo-Fleece-Goretex-Outfits. Die einzige Vorsorge, die unsere Mütter im Blick hatten, waren die im Anorak angehäkelten Handschuhe.
Vor der Bescherung mussten wir Kinder natürlich in unserem Zimmer warten, bis ein Glöckchen ertönte, das ankündigte, dass das Christkind kommt. Komisch nur, dass es immer schneller war als wir. Bis wir das Wohnzimmer erreicht hatten, war es schon durchs Fenster wieder hinausgeflogen. Einzig sein Goldstaub lag noch da als Beweis seiner Existenz. Ehe es Geschenke gab, mussten wir Flöte spielen und singen – heute vollkommen uncool, damals gehörte das dazu, auch wenn der Musikgenuss nicht immer erhebend war.
Später ging es – auch für uns Kinder und gleichgültig bei welchem Wetter – in die Mitternachtsmette – und Mitternacht bedeutete Mitternacht, nicht wie heute weichgespülte 22 Uhr.
Nicht zu vergessen, die Familie. Ich habe zu Hause noch etliche dieser alten schwarz-weiß-Fotos mit gewelltem Rand: Wir Kinder sitzen bei den Gruppenaufnahmen vorne, dahinter stehen in der Mitte die Großeltern, eingerahmt von Onkels, Tanten und Eltern. Immer, wenn ich diese Bilder anschaue, überkommt mich ein warmes Gefühl der Dankbarkeit. Das Mysterium von Weihnachten durfte ich als Kind noch erleben. Denn das Traurigste an diesem „Weihnachtswandel“ ist in meinen Augen, dass Kinder eben nicht mehr so aufwachsen können. Heute haben wir alles, wir baden im Überfluss, beschenken uns gegenseitig reichlich, aber diese reine, schöne Freude will nicht mehr aufkommen. Heute geht alles unter in Stress, Konsum, Hetze, mithalten müssen, Perfektion. Kein Wunder also, dass wir uns leer fühlen.
Wir alle können natürlich andere Modelle für uns finden. Weniger Geschenke, dafür mehr Zeit. Rückbesinnung auf das Eigentliche. Und das hat jeder selbst in der Hand
Wir von der Haibischl-Redaktion wünschen all unseren Lesern und Wohlgesinnten ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
Ja,
so war es.
Danke für den Rückblick