Wandern von Haidmühle nach Stožec

Nachdem wir das Privileg haben, grenznah zu wohnen, machen wir gerne und  immer wieder ein paar Schritte hinüber und schwupps sind wir in einem anderen Land. Mit Verblüffung hören wir manchmal von Nachbarn, die seit 20 Jahren an der Grenze wohnen, dass sie noch nie „drüben“ waren. Der eiserne Vorhang ist in manchen Köpfen offensichtlich immer noch vorhanden. Schade.

Ende Oktober wanderten wir von Haidmühle nach Stožec und zurück. Eine Strecke von insgesamt elf Kilometern auf weitgehend ebener Straße, die auch wir Senioren noch gut schaffen.

Die Böhmerwaldgemeinde an der kalten Moldau, ursprünglich eine Holzfällersiedlung, hieß bis zum Kriegsende Tusset. Heute leben hier nur noch zirka 220 Menschen, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam die Gemeinde immerhin auf knapp 3000 Einwohner.

Entscheidend für die Prosperität war sicherlich die Eisenbahnanbindung an das bayerischen und Böhmerwaldstreckennetz. 1910 wurde die Strecke Prachatice-Tusset und dann weiter nach Passau in Betrieb genommen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Bahnbetrieb auf der deutschen Seite eingestellt und sogar die Gleise entfernt.

Die Tschechen hingegen entfernten die Gleise nicht und halten dankenswerterweise den Zugbetrieb aufrecht, und so verkehren neben Nahverkehrszügen in den Sommermonaten ein durchgängiges Schnellzugpaar zwischen Nové Údolí  über Budweis nach Prag.

Diese Züge brauchen zirka fünfeinhalb Stunden für die Strecke zwischen der Hauptstadt und dem Böhmerwald, recht viel schneller kommt man auf den Landstraßen auch nicht mit dem Auto voran.

Zurück zu den Einwohnerzahlen. Nach der Vertreibung der Sudetendeutschen 1945/46 blieben in Stožec nur noch etwa 600 Einwohner in der Gemeinde übrig, deren Zahl dann infolge der Repressionen des kommunistischen Regimes gegenüber den Bewohnern in Grenzregionen nochmals deutlich nach unten auf den heutigen Tiefstand sank.

Das Restaurant Nové Údolí, gleich hinter der Grenze, hat übrigens ein Stück des Eisernen Vorgang nachgebaut, mit dem man auch wirbt („Replika Železné opony).

Stožec wirkt heute verlassen, fast ein wenig trostlos. Das Gasthaus am Bahnhof hatte offen, alles andere war entweder geschlossen oder existiert nicht mehr.

Ich mag den abweisenden Charme von Grenzorten trotzdem, und Stožec übt somit auf mich eine Attraktivität aus, die nicht jeder teilen mag.

Auch dieses Mal ist es uns übrigens nicht geglückt, die Tusseter Kapelle zu sehen. Wir waren durch den langen Marsch in kalter Luft dann doch ein wenig ermattet, ein Mittagessen gab es auch nicht … also verschoben wir die Besichtigung auf ein ander Mal. (Wegen der klammen Finger mochten wir auch kein Foto vom Ort machen. Vom alten Klo schon.)

Man hat übrigens ein Besucherzentrum dort. Besichtigen durften wir es nicht wegen „Inventur“. An internationalen Besuchern hat man wohl kein Interesse, denn alle Texte der Broschüren und Aushänge, die wir sahen, sind nur in tschechischer Sprache.

Wenn wir wieder nach Stožec gehen, werden wir übrigens den etwas längeren Rundweg über České Žleby wählen, denn die geteerte schmale Straße zwischen Haidmühle und Stožec ist doch ein wenig eintönig. Wir berichten dann erneut.

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Eine Antwort auf „Wandern von Haidmühle nach Stožec“

  1. v.a den Rundweg über České Žleby (früher: Böhmisch Röhren) kann ich sehr empfehlen: tolle, abwechslungsreiche Landschaft, mysteriöse, leer stehende Bauwerke, versteckte Denkmäler, Überreste ehemaliger Bauernhöfe, uralte Kirschbäume, nett gestaltete Brotzeitplätze, alte und neue Gastwirtschaften…

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Haibischl