Das ärmste Land Europas – Reisebericht

Die Republik Moldau hat mich mit einer Wärme und Modernität überrascht, die weit über das Unerwartete hinausging. Auf Schritt und Tritt offenbaren sich kleine Gastfreundschaften: ein einladendes Lächeln im Café, handgemachtes Gebäck auf dem Markt und lebhafte Gespräche über Familiengeschichten, Heimat und Hoffnungen. Die Landschaft wechselt zwischen sanften Hügeln, weiten Weinbergen und charmanten Dörfern, die zusammen ein Gefühl von Zeitlosigkeit vermitteln.

Die Kultur lässt sich unmittelbar erleben: Museen mit bewegender Geschichte, moderne Cafés mit starker Kaffee-Kultur und Abende, die von köstlichen Speisen und viel Lachen erfüllt sind. Besonders beeindruckend sind die Weingüter, wo man nicht nur probiert, sondern auch Geschichten über Böden, Reben und Generationen hört. Diese Begegnungen machen das Land lebendig und menschlich.

Die Reise war politisch und gesellschaftlich spannend, denn das Land steht sichtbar zwischen Zukunftsvisionen und äußeren Druckversuchen. Die jüngsten Wahlen und der wiederholte Wunsch vieler Menschen nach einer europäischen Ausrichtung prägten Gespräche überall, begleitet von Sorgen über Einflussnahme von außen und einem starken öffentlichen Willen zur Selbstbestimmung. Medienberichte zeigen, wie die politische Debatte das öffentliche Leben begleitet und wie engagiert viele Menschen über die Richtung ihres Landes diskutieren. Gespräche mit Ministern, Bürgermeistern und Aktivisten gaben dabei einen guten Einblick in die derzeitige politische und wirtschaftliche Lage. Stimmenkauf direkt oder indirekt durch russisch gesteuerte Oligarchen und Korruption sind dabei zwei der Hauptthemen! In diesem Zusammenhang war ein Treffen mit hohen Beamten des sogenannten Außenministeriums von Transnistrien absolut faszinierend. Man kam sich vor wie zu besten Zeiten der Sowjetunion: Monologe bei denen Unterbrechungen oder Fragen unerwünscht erscheinen; „keiner mag uns, alle anderen sind schuld, „wir sind das Opfer“. Ein Teilnehmer drückte es so aus: „they live in another universe!“

In vieler Hinsicht hochinteressant war auch ein Besuch im Eco Village, einem Zentrum der Ökologiebewegung Moldawiens. Es ist ein Kompetenzzentrum für Schulungen, Diskussionen und Überzeugungsarbeit für eine ökologische Landwirtschaft und generell eine gemeinwohlorientiertere Lebensweise. Auch außerhalb des Eco Village sind überall in der Umgebung Ergebnisse dieser Arbeit zu bewundern: von der bemalten Bushaltestelle über Container zur Abfalltrennung und Entsorgung bis zu ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen.

Die An- und Abreise blieb eines der ungewöhnlichsten Abenteuer: ein fast schon nostalgischer Nachtzug aus sowjetischen Zeiten über Bukarest nach Chişinău, in dem man die Landschaft wie ein langsames Gemälde vorbeiziehen sieht. Das sanfte, hin und wieder auch ziemlich holprige Ruckeln des Zuges, Gespräche mit Mitreisenden inklusive dem nächtlichen Fahrgestellwechsel und einer kurzen Unterbrechung wegen in Brand geratener Bremsbeläge trugen zur Abenteuerstimmung bei.

Zusammenfassend hinterlässt die Reise ein starkes Gefühl von Verbundenheit: mit den Menschen, der Küche, den Weinen und dem Wunsch vieler Moldauer nach einer stabilen, selbstbestimmten Zukunft. Auch wenn das Durchschnittseinkommen nur 250 € pro Monat beträgt, ist die Republik Moldau doch gar kein so armes Land, in mancher Hinsicht sogar reicher als viele andere!

Hier noch einige Links zum Thema:

Info aus dem EU-Parlament: https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/ATAG/2025/772901/EPRS_ATA(2025)772901_DE.pdf?

von Oekonews: https://oekonews.at/moldawiens-gruene-wende-wie-die-krise-eine-revolution-der-erneuerbaren-energien-ausloeste+2400+1229215?nlid=1229305

https://www.msn.com/de-de/reisen/artikel/moldawien-von-oben-4k-drohnenaufnahmen/vi-AA1KcT1q?ocid=winp1taskbar&cvid=309d7968dcbb4bf4f018b56872864d75&ei=21

Antworten zu Leserfragen: Diese Bildungsreise wurde organisiert von der Heinrich Böll Stiftung, dauerte 12 Tage und fand kurz vor den Parlamentswahlen im September 2025 statt. Die Amtssprache ist rumänisch, viele sprechen (auch) russisch, englisch ist als Fremdsprache auf dem Vormarsch, hin und wieder geht auch deutsch.

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Eine Antwort auf „Das ärmste Land Europas – Reisebericht“

  1. Hallo Franz, tolle Reise u. tolle Bilder.
    Leider konnte ich in deinem Bericht nicht erkennen wann du in Moldawien warst (Jahreszeit wäre interessant).
    Hast du diese Reise mit geplanter Führung gemacht?
    Wie kommt man mit der Sprache zurecht?

Die Kommentare sind geschlossen.

Haibischl