Die Wässerung – eine zentrale und nachhaltige Kulturtechnik in der alten europäischen Kulturlandschaft
(Text: Karel Kleijn, Stand Dezember 2020)
BN-Ankaufsflächen und Wiesenwässerung
Die Notwendigkeit sich als Naturschutzverband mit der Wiesenwässerung auseinanderzusetzen, dürfte klar sein. Wer sich mit Artenhilfsprogrammen beschäftigt, sollte wissen, wo die Probleme der Zielarten liegen, und das erfordert Kenntnisse bezüglich der einstmalig „guten Zeit“ der Art, die damaligen Lebensräume und deren Nutzung. Oft spielt die Wässerung da eine Rolle. Die Wiederaufnahme der Wässerung ist weitgehend ausgeschlossen, dennoch sucht man auf Grund des rekonstruierten Lebensraumbildes, nach Wegen, durch z.B. Nutzung, Gestaltung und Wiedervernässung von Feuchtflächen, ähnliche Verhältnisse zu schaffen. Wie die europaweit dürftigen Erfolge bei den intensiven Schutzprogramme der Wiesenbrüter zeigen, ist das ein mühseliges Geschäft und man wird kleinlaut, wenn in zwei Ankaufsflächen, schon kurz nachdem der Biber jede geplante und menschliche Pflege ausgeschlossen hat, erste Wiesenbrüter erfolgreich brüten. Die Bedeutung von Kenntnissen der Wiesenwässerung wird erst richtig klar, wenn sich zeigt dass in allen Pacht- und Ankaufsflächen der Kreisgruppe Reste von Wässersystemen zu finden sind, mit einer großen Systemvielfalt und Standortvielfalt. Es gibt Reste in Niedermoor-, Übergangsmoor-, Hochmoor-, Bruch-, Au-, Quell- und trockenen Mineralstandorten, in Hoch- und Tieflagen. Bei den Systemen gibt es Beispiele für Hangverrieselung mit Quellwasser und Schwemmen oder über kilometerlange Zuleitungsgräben im Wald, und Beispiele für Wässerung durch Bachausleitungen und Rückenverrieselung. Es gibt zumindest ein Beispiel für die Wässerung auf einer mit Mineralboden überdeckten Moorfläche (verbesserte Moorkultur). Der Besitz von diesem Kulturerbe wird bei Entwicklungsplänen und der nachfolgenden Pflege zu berücksichtigen sein, deutet aber auch deutlich auf Grenzen bei den Entwicklungs- und bei Artenschutzzielen. Ist eine Wiederaufnahme der Wässerung ausgeschlossen, können wir die Spuren der alten Nutzung beschränkt erhalten, der Rückkehr verschwundener von Wässerung abhängiger Arten, oder der langfristige Erhalt der Reste solcher Artvorkommen ist teils ausgeschlossen oder erfordert ganz neue Nutzungs-/Pflegekonzepte. Dort, wo die Reste noch aktiv betrieben werden oder passiv überzufließendes Wasser funktionell sind, sind die Erfolgsaussichten etwas anders, aber auch dort ist oft nur ein kläglicher Rest der alten Situation und der Betriebsführung wieder zu beleben, weil z.B. die Schwemme verfallen ist/verfüllt wurde, die Zumischung von Dünger ausgeschlossen ist. Auch sind oft infolge des Teilzerfalls neue Lebensräume entstanden und Arten aufgetaucht, die gegen eine rigorose Wiederbelebung sprechen. Auch hier gibt es zwei Beispiele, um dies zu verdeutlichen.
Die Ankaufsflächen in Langreut (Gemeinde Haidmühle-Bischofsreut) wurden auf der Gesamtfläche gewässert. Es sind viele Verteil-, und Entwässerungsgräben noch funktionsfähig, die Wasserversorgung dieses großflächigen Quellgebiets ist ganzjährig optimal. Fehlende Grabenpflege führte zu einem Mosaik staunasser und rieselnasser Bereiche, unterschiedliche Intensität und Form (Mahd und/oder Beweidung) verstärken die Mosaikbildung. Die Wässerung war wohl nur auf Lenkung und gleichmäßige Verteilung und Ausleitung des Quellwassers beschränkt, ein Zustand, der auch jetzt durch den Grabenrest noch weitgehend existiert. Eine Schwemme ist als wiederbelebbarer Rest erhalten, liegt aber auf der Grundstücksgrenze. Es gibt Hinweise auf möglicherweise zwei weitere Schwemmen, die kärglichen Reste könnten aber auch Vorrichtungen für die Wasserverteilung gewesen sein. Die Fläche ist eine der letzten Beispiele für den infolge der Wässerung einst verbreitenden basischen geprägten Feuchtflächen im sauren Urgesteinsbereich. Diese waren einst der Lebensraum für eine Reihe anspruchsvoller Pflanzen- und Tierarten und gehörten zu den artenreichsten Bereichen des Bayerischen Waldes. Der Erhalt der Fläche, inklusive der Kulturkomponente, ist eine aufwendige, aber mögliche Daueraufgabe. Angrenzende Teile der teilfunktionellen Wässerfläche wurden aufgeforstet und innerhalb der BN- Fläche befindet sich ein tiefer Entwässerungsgräben. Grabenverfüllung und Erweiterung der Fläche durch Ankauf und Freistellung oder der schon erfolgreich angefangene Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten sollen durch das EU-Projekt ,,Life for Mires = Leben für Moore“ schnell umsetzbar sein. Der Erhalt der wertvollen Flora erscheint damit gesichert zu sein, ob es reicht zur Rückkehr von Braunkehlchen/Wiesenpieper wird die Zukunft zeigen – und dafür müssen auch großräumig die Bedingungen stimmen. Bei der Kreuzotter gibt es eine Vielzahl von Hilfsmaßnahmen, aber auch hier ist ein regionaler Ansatz nötig. Spannend wird der Zusammenarbeit mit dem Biber, der seit diesem Winter Spuren hinterlässt.
Das zweite Beispiel sind die Projektflächen am Wagenwasser. Dort wurde die große Zentralfläche fast vollständig als Wässerwiese genutzt bis zur Aufforstung in den 60er Jahren, der nördliche vom Wagenwasser gelegene Hauptteil mit Hangwässerung und Wasserzufuhr aus größere Entfernung aus den Hangwälder oberhalb der Fläche, teils über einen Quellast des Wagenwassers. Der Teil südlich vom Wagenwasser wurde über eine Ausleitung aus dem Wagenwasser versorgt. Zur Aufforstung wurden Teile des Zulaufsystems tiefer gelegt und dienen somit nur noch der Entwässerung der Fläche und zur Durchleitung des zugeführten Wassers. Der Graben wurde durch einige Drängräben ergänzt. Die Quellaustritte innerhalb der Fläche reichen für die Bildung kleiner Anmoor- und Niedermoorbereiche. Ohne der einstmaligen zusätzlichen Wasserzufuhr und der Betrieb funktionsfähiger Verteilgräben überwiegen jetzt trockene Mineralbodenbereiche, zumal die Beendung der Wässerung, auch die der angrenzenden Flächen, Ausmaß, Dauer und Zahl der Quellaustritte erheblich reduziert und die Moorbereiche in Trockenjahre, als Folge tiefgründig austrocknen. Zur Förderung der Moorentwicklung wurden die Drängräben verfüllt, die vertieften Bereiche vom vertieften Zulaufgraben im Hangbereich teils angehoben, und in Mäandern verlegt. Vorrangiges Ziel wird es sein die Wasserverluste aus der Fläche weiter zu begrenzen. In den weiteren Flächen des Projektbereichs erfolgte die Wässerung durch Fassung und Verteilung der Quellaustritte. Teile der Verteilgräben sind wie in Langreut noch funktionsfähig. Hier reicht es zur Wiedervernässung, die Gräben auszubessern, um Kurzschlüsse zu beenden. Zur besseren Verteilung und Wasserrückhaltung ist ein Teileinstau der Gräben erforderlich. Ziel ist es, die Aufforstungsflächen zu ökologisch wertvollen Moorwäldern zu entwickeln. Anfallendes Schadholz wird durch Einschlitzen der Rinde vor Borkenkäferbefall geschützt, und verbleibt zur Moorbodenbildung in der Fläche. In der Gesamtfläche werden, als Spur der ehemaligen Wässerung die Verteilgräben, vor allem die noch Wasser führenden, noch lange als Kulturrelikt erhalten bleiben. Ob und in welchem Ausmaß Reste der Artenbestände aus dieser Zeit sich bei ein auf Moorentwicklung zielendes Projekt langfristig überleben können und sogar neue Chancen bekommen wird, kann nur die Zukunft zeigen. Zumindest bei der Fauna, lassen das Vorkommen von Birkenmaus, Alpenspitzmaus, Haselhuhn und Kreuzotter hoffen, dass der bisherige Weg auch für diese Arten ein Überleben ermöglicht.