Durchbruch in Brüssel:

Die Kriegsgewinne der Energiewirtschaft werden abgeschöpft und an Verbraucher*innen verteilt!

Von Gastautor Sven Giegold, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Am 30.9.2022 haben die Energieminister*innen der EU mit großer Mehrheit grünes Licht für eine Notverordnung des Rates gegeben. Gewinne von Stromproduzenten werden gekappt und an die Verbraucher verteilt, Kriegsgewinne der Energiewirtschaft besteuert. Für Europa ein Durchbruch!

Der Beschluss umfasst drei Elemente:

1. Stromeinsparung: Alle Mitgliedsstaaten müssen zu Spitzenzeiten 5% Strom einsparen. Der monatliche Stromverbrauch soll um 10% sinken. Das hilft, Preise zu senken.

2. Erlösobergrenze für Produzenten von Erneuerbaren, Atomenergie & Kohle: Max. 180 Euro/MWh. Erlöse darüber werden zu mindestens 90% abgeschöpft. Jedes Mitgliedsland hat Spielraum bei der Ausgestaltung und entlasten mit den Einnahmen die Stromverbraucher*innen.

3. Sonderabgabe auf Gewinne von Energieunternehmen: 33% Zusatzabgabe auf Gewinne in 2022 und 2023 von Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich, die mehr als 20% über dem Durchschnitt von 2019-2021 liegen.

Zentral ist: Die Staaten müssen mit den Einnahmen der Sonderabgabe besonders belastete Haushalte entlasten, Energieeinsparungen und Erneuerbare Energien fördern oder energieintensiver Industrie helfen, die bei der Energiewende mitmachen.

Richtig umgesetzt, schöpfen wir so Zufallsgewinne ab, erhalten aber gute Investitionsanreize für Erneuerbare und Wasserstoff sowie Produktionsanreize für Strom. Daran arbeiten wir in Deutschland. Die EU-Regeln geben uns dazu die nötige Flexibilität.

Das Modell der Erlösobergrenze entspricht dem im Sommer in unserem Bundeswirtschaftsministerium entwickelten Modell, um Übergewinne im Stromsystem zu abzuschöpfen und umzuverteilen – aber ohne eine „Übergewinnsteuer“. Jetzt ist unser Vorschlag europaweit Gesetz!

Doch für die Freund*innen eines geeinten Europas ist der echte Knaller die Rechtsgrundlage: Erstmals wurde europäische Solidarität samt einer Sonderabgabe im Mehrheitsverfahren beschlossen. Der Notfallartikel 122 AEUV hat die Einstimmigkeitsblockade bei Steuern durchbrochen! Kein Wunder, dass Ungarn und einige Steueroasen im Rat Ablehnung oder Skepsis ausgedrückt haben. Mehrheitsentscheidungen brauchen wir perspektivisch auch im Steuerbereich. Europa wäre so viel stärker, wie der heutige Beschluss zeigt!

Die politische Entscheidung ist heute gefallen. Unser Energieminister Robert Habeck hat heute für Deutschland zugestimmt. Es war großartig für mich, im Rat in Brüssel dabei zu sein.

Die formale Entscheidung fällt in den nächsten Tagen im schriftlichen Verfahren.

Beim Strommarkt haben wir nun europaweit einen großen Schritt nach vorne gemacht. Beim Gasmarkt müssen wir ebenfalls europaweit handeln. Da sind wir dran. Die Bundesregierung hat sich nachdrücklich für die heute beschlossenen Maßnahmen eingesetzt. Die EU-Kommission hat in kürzester Zeit einen starken Vorschlag vorgelegt. Seit dem Sommer haben unsere Leute hart daran gearbeitet! Vielen Dank an die Wirtschaftspolitikabsteilung des BMWK, Philipp Steinberg und dem ganzen Team.

Als langjähriger Europaabgeordneter schmerzt mich nur, dass bei diesem Vorschlag das Europaparlament nicht mitentscheiden durfte. Aber: Das Europaparlament hat für eilige Entscheidungen anders als der Bundestag kein Eilverfahren. Wir haben jetzt einfach keine Zeit langsame Prozesse.

Fazit: In Rekordgeschwindigkeit hat Europa Handlungsfähigkeit bewiesen. In der Krise Übergewinne abzuschöpfen und zu besteuern, ist für die EU absolutes Neuland. Ein großer Schritt zu einem geeinten Europa! Vive l‘Europe!

Und parallel zur Energiekrise arbeiten wir an den Veränderungen für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft. Punkt für Punkt, Gesetz für Gesetz arbeite ich daran hinter den Kulissen des Bundeswirtschaftsministerium – wie so viele im ganzen Regierungsteam!

Mit erfreuten europäischen Grüßen,

Ihr und Euer Sven Giegold

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