Es ist fast unmöglich, im Marketing auf Sprache zu verzichten. Wer verkaufen will, muss reden, bzw. schreiben. Sprache transportiert Slogans, Inhalte, Empfindungen; sie löst Bilder im Kopf aus und Gefühle, und sie kann uns gründlich blamieren. Wer schlecht formuliert, bewirkt nicht nur viel weniger als er könnte, er bekommt zudem auch schnell den Makel der geringen Bildung.
(Der zweite Teil dieser Serie ist hier.)
„No matter how smart you are, educated people will think you’re a moron if your grammar is lacking.“
Scott Adams (Dilbert) in „How to Fail at Almost Everything and Still Win Big: Kind of the Story of My Life“ Übrigens ein sehr lesenswertes Buch.
Gehen Sie davon aus: Ihr zukünftiger Kunde oder Leser ist abgelenkt und überlastet. Er nimmt sich nicht die Zeit, unverständliche Texte verstehen zu wollen. Sie müssen ihn mit Botschaften überzeugen, die er leicht, schnell, geradezu intuitiv versteht. Dazu kommt: Das Sprachverständnis der Bevölkerung scheint zu sinken. Auch das Ihrer Zielgruppe.
Es ist also sehr wichtig, Sprache richtig anzuwenden. Wer sich aber aufmerksam umsieht, findet beliebig viele Beispiele ungeschickter Formulierungen. Diese sind erstaunlich gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt: Sie stammen von Alten und Jungen (häufiger), Gebildeten (häufiger) und Ungebildeten, Männern und Frauen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihre Firma, zumindest gelegentlich, ungeschickt formuliert (meineauch, ich auch).
Falls Sie Texte beispielsweise für Literatur- oder Sprachwissenschaftler schreiben, dürfen Sie komplexe Sätze verwenden. Dieses Publikum wird ausgefeilte Satzkonstruktionen zu schätzen wissen. Abgesehen von solchen Sonderfällen gilt:
Formulieren Sie
– richtig
– logisch
– kompakt
– und so, dass Ihr Zielpublikum Sie schnell und problemlos versteht.
Das alles hört sich an, als sei es selbstverständlich. Ist es auch. Aber an der Umsetzung hapert es. Warum wird so häufig so ungeschickt formuliert? Liegt es an zu großer Eile? Liegt es daran, dass die Texter ihr Können überschätzen? (Siehe auch die Wikipeda zum Dunning-Kruger-Effekt: Eine Spielart der kognitiven Verzerrung: Inkompetente Menschen neigen dazu, das eigene Können zu überschätzen.) Schwer zu sagen. Viel wichtiger ist es, etwas zu tun.
Formulieren lernen
Arbeiten Sie ein Buch durch, das erklärt, wie man besser schreibt. „Deutsch fürs Leben“ von Wolf Schneider ist ein solches. Sie werden feststellen: Gutes Schreiben ist nicht einfach, es gibt viele Fallstricke. Schneider braucht 50 Kapitel in seinem Buch, um Ihnen die Augen zu öffnen.
Hier einige Beispiele, wie sie mir täglich und beliebig oft begegnen:
Vorher:
Eine Patientin konsultierte unsere Klinik mit Schmerzen im Seitenzahnbereich. Außerdem war sie unzufrieden mit dem Aussehen ihrer Frontzähne.
Problem: Unlogischer Aufbau (die arme Klinik hat Schmerzen).
Vorschlag:
Eine Patientin konsultierte unsere Klinik. Sie hatte Schmerzen im Seitenzahnbereich und war unzufrieden mit dem Aussehen ihrer Frontzähne.
Vorher:
Athletisch und sportlich, setzt das klare, sinnliche Design des neuen [Autos] Akzente im Straßenbild und verkörpert modernen Luxus.
Problem: Umständlich, grammatikalisch falsch.
Vorschlag:
Das neue [Auto] hat ein klares und sinnliches Design. Es setzt athletische und sportliche Akzente im Straßenbild und verkörpert modernen Luxus.
Marketing braucht aktive Sprache
Verwenden Sie aktive, statt passive Sprache.
Vorher:
Sölden bieten Ihnen im Sommer wie auch im Winter die verschiedensten Möglichkeiten Ihren Urlaub zu gestalten.
Problem: Satz zu lang (109 Zeichen), umständlich, Kommata fehlen, passive Sprache.
Vorschlag:
In Sölden können Sie im Sommer wie im Winter viele verschiedene Dinge unternehmen. (82 Zeichen). Oder, noch kürzer: In Sölden können Sie im Sommer wie im Winter viel erleben.
Vorher:
Auch bei einer länger dauernden Wanderung gibt es für Sie die Möglichkeit auf einer der vielen Hütten und Almen zu übernachten.
Problem: Zu lang (127 Zeichen), umständlich, Komma fehlt.
Vorschlag:
Auch bei längeren Wanderungen können Sie auf einer der vielen Hütten und Almen übernachten. (91 Zeichen)
Vorher:
In jedem Glied der Restaurations-Prozesskette steckt die Verbindung aus Erfahrung, Kompetenz, Vertrauen, Innovation, Qualität, reproduzierbarer Präzision und Erfolg – sieben gute Gründe, sich für die Produkte von [Hersteller] zu entscheiden und damit hochwertige Restaurationsergebnisse im Labor zu erzielen.
Problem: Der Satz ist zu lang (308 Zeichen) und damit schwer verständlich. Für die dpa (eine Nachrichtenagentur) liegt die Obergrenze der optimalen Verständlichkeit bei 9 Wörtern. Die Obergrenze des Erlaubten bei 30 Wörten. Dieser Satz hat 37 Wörter.
Vorschlag:
Mit unseren Produkten erreichen Sie hochwertige Restaurationsergebnisse. Wir haben nämlich alles hineingesteckt, was Ihnen und uns wichtig ist: Erfahrung, Kompetenz, Vertrauen, Innovation, Qualität, reproduzierbare Präzision und Erfolg. (72+163= 235 Zeichen, 27 Wörter)
Vorher:
Über ein selbsterklärendes und menügesteuertes Touch Panel mit hinterlegten Galvanisierungsprogrammen ist ein komfortables Arbeiten gegeben.
Problem: Umständlich („gegeben“), unlogisch (das Panel wird nicht gesteuert, sondern das Gerät).
Vorschlag:
Im Gerät sind Galvanisierungsprogramme hinterlegt. Gesteuert wird es über ein Touch-Panel mit selbsterklärenden Menüs. Das macht die Arbeit sehr komfortabel.
Vorher:
Das besondere Merkmal ist der hochwertige, rostfreie Edelstahl der den mehrfachen Einsatz ermöglicht.
Problem: Umständlich, passiv, Komma fehlt.
Vorschlag:
Wichtig: Es besteht aus hochwertigem, rostfreien Edelstahl. Deshalb können Sie es mehrfach verwenden.
Vorher:
Die Pressöfen überzeugen durch Eigenschaften wie die neue Muffeltechnologie, den elektronischen Pressantrieb, automatische Temperaturkalibration sowie schnelle und einfache Bedienung durch Grafik-Display und Menüsteuerung.
Problem:Lang (227 Zeichen, 24 Wörter), Display statt Anzeige, statt Nutzen für den Kunden werden nur Produkteigenschaften aufgezählt.
Vorschlag:
Ganz neuen Text schreiben, Nutzen für den Anwender klar machen.
Vermeiden Sie Blähworte
Statt
– Fragestellung: Frage
– Zu diesem Zeitpunkt: jetzt
– Hatten wir die Möglichkeit: konnten wir
– Thematik: Thema
– Informationsdefizit: Wissenslücke
– Rückantwort: Antwort
– Nachvollziehbar: verständlich
– Im Vorfeld: vorher
Verwenden Sie Lesehilfen
Richtig: „Mit Tizian, Nuance 750 und Nuance 850haben Sie für nahezu jedes zu verblendende Material die richtige Keramik.“
Formulieren Sie logisch
Vorher:
Die edelmetallfreien Legierungen sind kostengünstige Alternativen, die durch höchste Qualitätsansprüche überzeugen.
Problem: Eine Legierung hat keine Ansprüche. Satz zu lang (115 Zeichen).
Vorschlag:
Diese edelmetallfreien Legierungen kosten wenig. Trotzdem genügen Sie höchsten Qualitätsansprüchen. (48+50=98 Zeichen)
Was haben wir heute gelernt?
– Gutes Schreiben ist wichtig für erfolgreiches Marketing. Aber schwer.
– Fast niemand hat Zeit, Hirn oder Lust, lange, verquarkte Texte zu lesen.
– Werbetexte muss man nicht lesen. Der künftige Kunde ließt sie nur dann, wenn sie ihn interessieren und packen. Falls nicht, verliert man seine Aufmerksamkeit.
– Nehmen Sie sich kein Beispiel an den üblichen Pressemeldungen. Die sind meist zum Einschlafen öde formuliert.
– Umso kürzer ein Wort oder Satz ist, umso verständlicher.
– Sie sind nicht alleine auf dieser Welt. Viele andere Firmen wollen die Aufmerksamkeit Ihrer Kunden. Schlagen Sie Ihre Konkurrenz: Schreiben Sie für Ihre Kunden so kompakt, korrekt, verständlich, lebendig und unterhaltsam wie möglich.
– Machen Sie die Texte, mit denen Sie Ihre Firma und Ihre Produkte anpreisen, zur Chefsache. Sie sind zu wichtig, um sie Amateuren zu überlassen.