Niedergang der deutschen Autobauer als Massenhersteller nicht mehr aufzuhalten

von Andreas Knie vom Herausgeberrat des „Klimareporter

Daimler, BMW und VW haben seit Jahrzehnten alle Signale ignoriert, alle Trends verpasst und wurden dabei von der Bundesregierung immer unterstützt. Sie werden nun zu Manufakturen für hochpreisige Limousinen– wie schon einmal in ihrer Geschichte.

Wir in Deutschland glauben immer noch die Besten zu sein, eigentlich überall. Natürlich im Fußball, aber erst recht im Automobilbau. Das war vielleicht einmal so. Aber Zeiten ändern sich.

Beim Fahrzeugbau dominiert nicht mehr die Hardware, das Spaltmaß ist nicht mehr das Unterscheidungsmerkmal, und die hochgezüchteten Dieselmotoren mit integrierter Chemiefabrik sind kein Ausweis von Alltagstauglichkeit mehr und nur noch gut für ausgewählte arabische Märkte mit traditionsreichen Kulturen geeignet, wo Autos noch den wirklich Wohlhabenden vorbehalten sind und wo Luxusmarken noch etwas gelten.

Für die großen Massenmärkte taugen Deutschlands Modelle dagegen immer weniger: zu groß, zu teuer und vor allen Dingen mit den falschen Antrieben ausgestattet.

Bisher fiel diese Luxusstrategie der deutschen Autobranche nicht auf. Hierzulande garantierte der Staat durch das Ein-Prozent-Besteuerungsprivileg, dass die teuren Modelle im Preis praktisch halbiert wurden.

China ist groß, die deutsche Ignoranz ist größer

Und es gab ja China. Dort konnte man praktisch jahrzehntelang alle Preise durchdrücken. Je teurer, umso besser. China ist mit großem Abstand der größte Markt der Welt, und die deutschen Hersteller setzen hier mehr als 50 Prozent Ihrer Produktion ab.

Es gab immer genug Reiche, die bereit waren, auch die extra teuren Autos aus Deutschland zu kaufen. Dieser Absatz sicherte die Gewinne, und er schien unendlich groß, weit und unerschöpflich zu sein.

Dass die Chinesen dabei aber nicht einfach tatenlos zuschauen würden, das wusste man in Wolfsburg, München und Stuttgart durchaus. Zumal wichtige Experten der chinesischen Regierung in Deutschland ausgebildet worden waren und auch in den deutschen Fabriken gelernt hatten – allen voran der ehemalige chinesische Wissenschaftsminister Wan Gang, der an der TU Clausthal promoviert hat und viele Jahre in leitender Funktion bei der Audi AG war.

Wan Gang entwickelte nach seiner Rückkehr nach China Anfang der 2000er Jahre ein Forschungs-Entwicklungsprogramm mit einem industriellen Umsetzungsplan, in der die batterieelektrischen Fahrzeuge die Zukunft waren und alle regulatorischen Bedingungen im größten Markt der Welt darauf angepasst werden sollten. Spätestens 2006 war für alle glasklar, wie der größte Automarkt in Zukunft ticken würde.

China hat diese Entscheidung nicht im stillen Kämmerlein getroffen, sondern knüpfte an Programmelemente der Industriepolitik der USA an. Hier hatte man bereits seit Ende der 1990er Jahre schrittweise die Einführung von Zero-Emission-Fahrzeugen angekündigt und verschärfte dementsprechend schrittweise die Bedingungen für Verbrennungsmotorenfahrzeuge.

Doch man kann unüberhörbare Signale auch ignorieren. Im Glauben an die uneinholbare Stärke der deutschen Ingenieurskunst nahm man die Chinesen einfach nicht ernst und blieb beim eingeschlagenen Wege hochpreisiger Hardware mit Otto- und Dieselmotor.

Viel schlimmer: Man ging davon aus, dass die Chinesen doch irgendwann wieder zur Vernunft zurückkehren würden.

Dagegen sind Unternehmen, die diese Signale respektierten und darauf ihre Geschäftsstrategie aufbauten, wie Tesla, Geely oder BYD, heute sehr erfolgreich. Vor 30 Jahren gab es diese Firmen noch gar nicht.

Deutsche Industriepolitik: Die Autokonzerne zuerst

Deutsche Automobilunternehmen lassen sich davon aber nicht beirren. Das Schlimmste ist, dass sie praktisch wie ein Kartell funktionieren.

Einerseits stehen sie untereinander im ökonomischen Wettbewerb, andererseits herrscht ein korporatistischer Geist vor, die wesentlichen Entwicklungsschritte immer in einer Art Peer-to-Peer-Verfahren abzugleichen und im fachlichen Austausch auf eine gemeinsame Linie zu kommen. Jedes Unternehmen darf mal etwas Neues machen, aber nur für kurze Zeit, dann ziehen alle anderen nach und bilden den gemeinsamen „Stand der Technik“.

Man schreitet gemeinsam bei allen technologischen Meilensteinen voran. Mutige Akzente außerhalb dieser Konsensmaschine waren zu gewagt, zu fortschrittlich, wie beispielsweise die Entwicklung des I3 von BMW oder auch schon seinerzeit der Ro 80 von NSU.

Die Branche hätte sich selbst unter einen zu hohen Innovationsdruck gesetzt und sich ändern müssen. Da ist es doch besser, die Projekte werden vom eigenen Unternehmen wieder kassiert und alles bleibt beim Alten.

In der deutschen Autoindustrie wollte man daher nie wechseln, jetzt kann man es nicht mehr. Andere Unternehmen sind schneller, besser und auch billiger. Aber nicht nur den Konzernleitungen fehlte es an Führungsqualität, auch der deutschen Industriepolitik mangelt es an Format.

Deutsche Industriepolitik ist immer zuerst Lobbyarbeit für die Autokonzerne gewesen nach dem Motto: Liebe Industrieführer, wenn ihr Fehler macht, keine Sorge, wir sind schon da und stehen euch auch mit Rat und Tat zur Seite.

An der Spitze dieser Bewegung stand zuletzt Jens Spahn, der dem VW-Konzern einen zu schnellen Wechsel in die E‑Mobilität vorwarf. Gemessen an diesem Kenntnisstand hätte er den Wolfsburgern auch wieder zum Kutschenbau raten können.

Aber auch Hubertus Heil trat Anfang September vor die Presse und verkündete sofort umfangreiche Hilfen der Bundesregierung für etwas, von dem er noch nicht einmal wusste, ob es schon eingetreten war.

Der Vollkaskostaat, der die Mängel in der unternehmerischen Qualität auf Kosten der Allgemeinheit ausgleicht, funktioniert in Deutschland immer noch wunderbar.

Ironie der Geschichte

Die deutschen Autohersteller werden wohl überleben, sie schrumpfen auf dem Weg zu Luxusherstellern, kommen mit viel weniger Mitarbeitern aus und enden als Manufakturen. Die Branche kommt dort an, wo sie 1931 bereits einmal stand: kurz vorm Abgrund. Denn so stark und so ruhmreich ist im Autoland Deutschland die Tradition der Autohersteller gar nicht.

Daimler und Benz waren nach dem Ersten Weltkrieg bereits pleite und wurden unter dem Diktat der Deutschen Bank zwangsfusioniert. Die Bank mottete die beiden Unternehmen zur Hälfte einfach ein.

Tacheles!

In unserer Kolumne „Tacheles!“ kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrats in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Die Familie Opel verkaufte mangels eigener Perspektiven 1929 an General Motors, und die sächsischen Hersteller DKW, Wanderer, Horch und Audi vermieden ihren eigenen Untergang nur durch Fusion zur Auto Union.

Im Jahr 1931 gab auf die deutschen Autohersteller kaum einer noch einen Pfifferling, denn diese hatten schon damals vollkommen den Anschluss an den Weltmarkt verpasst, weil in Kleinserien viel zu teuer gefertigt wurde. Doch Ironie der Geschichte: Auch damals sprang der Staat ein.

Allerdings anders, als die Branche es eigentlich gewünscht hatte. Nachdem die etablierten Unternehmen aus ihrer Manufakturdenke einfach nicht herauskamen, verordnete Adolf Hitler den Bau eines preiswerten Volkswagens, machte seinen Landsmann Ferdinand Porsche zum federführenden Ingenieur und die Deutsche Arbeitsfront mit dem von den Gewerkschaften geraubten Geld zum Produzenten.

Dazu führten die Nazis erstmals eine reichseinheitliche Straßenverkehrsordnung ein, erfanden die Reichsgaragenordnung und legten ein Ansparprogramm für den Volkswagen auf.

Parallel betrieb man durch geschickte Instrumentalisierung der Deutschen Reichsbahn den Bau eines Autobahnnetzes von fast 5.000 Kilometern, obwohl es 1934 im ganzen Reich kaum Fahrzeuge gab. Dem Auto generell und der Industrie wurde mit einem gigantischen industrie- und sozialpolitischen Programm der rote Teppich ausgelegt.

Heute funktioniert das so nicht mehr. Noch mehr Förderung für Autos, noch mehr Privilegien für die Nutzung oder gar noch mehr Straßen geht einfach nicht mehr. Da ist das Pulver verschossen. Der öffentliche Raum ist schon voller Autos, es gibt keinen Platz mehr. Das Auto hat längst seinen Zauber verloren, es ist zu einem Gebrauchsgegenstand geworden.

Für die deutschen Hersteller wird das nicht mehr relevant sein, sie werden ihre Nischen in arabischen oder anderen Staaten weitab finden und dort auch ihr Geld verdienen. Ihre luxuriösen Dieselfahrzeuge mit viel PS behalten ihre Fans, die können die Boliden auf dem Nürburg-, Hockenheim- oder Lausitzring besichtigen und auch selbst einmal fahren. Wenn gerade Museumstage sind.

 

Diesen Beitrag teilen mit:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Haibischl