„Scheitern ist kein Schicksal, sondern eine bewusste Wahl“

Artikel aus oekoews.at, geschaltet von Doris Holler

New York – Es war ein Appell, der kaum eindringlicher hätte sein können. Vor den versammelten Staats- und Regierungschefs erhob Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, seine Stimme – und machte klar: Die Welt steht an einem Scheideweg. „Scheitern ist kein Schicksal“, sagte er mit fester Stimme. „Es ist eine bewusste Wahl.“ Während des Klimagipfels des UN-Generalsekretärs, der im Rahmen der High-Level Week 2025 stattfand, appellierte er an die Staats- und Regierungschefs, Ministerinnen und Minister sowie internationale Entscheidungsträgerinnen, die Verantwortung nicht länger zu verschieben.

„Vor zehn Jahren hat sich die Welt in Paris rechtlich bindend verpflichtet, gefährlichen Klimawandel zu vermeiden“, erinnerte Rockström. Doch die Realität sei ernüchternd: Die Emissionen steigen weiter, und 2024 sei die globale Durchschnittstemperatur erstmals über die Marke von 1,5 Grad hinausgeschossen. „Wir sind auf dem Weg, diese Grenze innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre dauerhaft zu überschreiten“, so der Klimaforscher. Das müsse als Versagen anerkannt werden – ein Versagen, Menschen und Nationen vor den unkontrollierbaren Folgen der Erderhitzung zu schützen.

Gleichzeitig betonte Rockström, dass Resignation keine Option sei: „Jedes Zehntelgrad weniger rettet Leben und Existenzen.“ Extreme Hitze, Dürren, Brände, Wasserknappheit und Überschwemmungen beeinträchtigen bereits heute das Leben von Milliarden Menschen weltweit – und jenseits von 1,5 Grad würden diese Belastungen unbeherrschbar. Zudem wachse die Gefahr, Kipppunkte im Klimasystem zu überschreiten, die irreversible Veränderungen nach sich ziehen könnten.

Trotz der Dramatik sieht Rockström noch eine Chance: Ein sogenannter „Overshoot“-Pfad, bei dem die Temperaturen zwar vorübergehend über 1,5 Grad hinausgehen, könnte bis Ende des Jahrhunderts wieder in den sicheren Bereich zurückführen. Voraussetzung sei jedoch ein schneller und tiefgreifender Wandel  –  insbesondere der nahezu vollständige Ausstieg aus fossilen Energien, sofort beginnend. Ebenso notwendig: der massive Ausbau von CO₂-Entnahme. Für eine Abkühlung um nur 0,1 Grad müssten 200 Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernt werden.

Doch selbst das reiche nicht aus, mahnte Rockström. „Wenn wir nicht die planetaren Grenzen achten,  Biodiversität, Ozeane, Nährstoffkreisläufe und andere entscheidende Systeme, bleibt ein sicheres Klima außer Reichweite.“ Derzeit bewege sich die Welt auf eine Erwärmung von drei Grad in nur 75 Jahren zu – eine existenzielle Bedrohung, wie sie die Menschheit seit drei Millionen Jahren nicht erlebt habe.

Am Ende seiner Rede ließ Rockström keinen Zweifel: Die Wissenschaft sei eindeutig, die Lösungen lägen auf dem Tisch – von der Abkehr von fossilen Brennstoffen über eine effizientere Ressourcennutzung bis hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen. „Das Zeitfenster für eine lebenswerte Zukunft ist noch offen – aber nur knapp“, sagte er. Und fasste zusammen: „Scheitern ist nicht unvermeidbar. Es ist eine bewusste Wahl.“

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Haibischl