EU-Lieferkettengesetz: Riesenerfolg für Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten

Bei einer Veranstaltung im Bayerischen Wirtschaftsministerium ging es um Lieferketten bzw. das Lieferkettengesetz. Durch den übergroßen Lobbyeinfluss war dieses seit Jahren umkämpfte Gesetz in Deutschland bis zur (fast) Unwirksamkeit eingestampft worden. Und doch hat es auf europäischer Ebene jetzt einen Durchbruch gegeben, diesmal mit Unterstützung der Bundesregierung! Eine erste Einschätzung gab nur wenige Stunden nach der Einigung Hep Monatzeder, Abgeordneter im Bayerischen Landtag (auf dem Foto links zu sehen).
Dazu schreibt Sven Giegold, Staatssekretär im BMWK:

Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich am 1. Dezember 2022 auf ein EU-Lieferkettengesetz geeinigt. Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und engagierte Unternehmen hatten sich dafür jahrelang eingesetzt. Denn in unseren Produkten steckt zu oft Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen und Umweltzerstörung. Trotz vieler Bemühungen von Unternehmen und NGOs sind Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten weit verbreitet.

Das europäische Lieferkettengesetz wird Großunternehmen nun verpflichten, bei ihren Zulieferungen in den Binnenmarkt Menschenrechte und Umweltstandards zu beachten.

Damit müssen die sozialen Werte aus dem EU-Vertrag auch bei Lieferungen in unseren Binnenmarkt gelten. Die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft gelten damit nun auch für Produkte aus Drittländern. Das sorgt für fairen Wettbewerb, so dass global verantwortliche Unternehmen nicht länger die Dummen sind. Umwelt- und Sozialdumping wird schwerer.

Dieses neue EU-Gesetz wird unterschiedliche nationale Lieferkettengesetze auf ähnliche Standards bringen. Als europäisches Gesetz kann es strenger und konsequenter sein als die nationalen Gesetze wie z.B. das deutsche oder das französische Lieferkettengesetz.

  1. Für welche Unternehmen gilt das EU-Lieferkettengesetz? Unternehmen sind nur erfasst, wenn sie mehr als 500 Arbeitnehmer*innen und einen Umsatz von >150 Mio. Euro haben. Wenn sie mehr als 20 Mio. Euro Umsatz in Risikosektoren machen, sinkt die Umsatzschwelle auf 40 Mio. Euro und die Arbeitnehmer*innenschwelle auf 250. Die Risikosektoren umfassen u.a. Textil, Landwirtschaft, Lebensmittel, Rohstoffgewinnung, Metallverarbeitung. Ausgenommen ist der Maschinenbau. Für Unternehmen aus Drittstaaten gilt eine Schwelle von >150 Mio € Umsatz im Jahr in der EU (d.h. keine Arbeitnehmerschwelle) oder 40 – 150 Mio € Umsatz p.a. in der EU bei mind. 20 Mio Euro in Risikosektoren.
  2. Anders als im deutschen Lieferkettengesetz können Opfer von Menschenrechtsverletzungen auch zivilrechtliche Haftung durchsetzen!
  3. Das EU-Gesetz verpflichtet nun grundsätzlich alle Zulieferer – nicht nur solche mit einer längerfristig etablierten Geschäftsbeziehung, wie ursprünglich von der EU-Kommission geplant.
  4. Im deutschen Lieferkettengesetz kann die Einschaltung von Zwischengesellschaften die Verpflichtungen umgehen. Nach dem Willen der Mitgliedsstaaten ist diese Umgehungsmöglichkeit nun europaweit verschlossen.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns zu einem EU-Lieferkettengesetz bekannt, das den Rahmen der UN-Standards für Wirtschaft und Menschenrechte achtet und Kleine und Mittlere Unternehmen nicht überfordert. Entsprechend haben wir verhandelt.

Ein gemeinsames Lieferkettengesetz ist ein Beitrag zum Bürokratieabbau.

Die vielen ohnehin existierenden, jeweils unterschiedlichen Umwelt- und Sozialstandards von Großunternehmen und verschiedener Mitgliedstaaten werden sich über Europa vereinheitlichen. Das macht am Ende soziale und ökologische Standards einfacher.

Auch um eine gemeinsame Position der Mitgliedsstaaten zu erreichen, mussten wir einige Ausnahmen und Abschwächungen des EU-Kommissionsvorschlags akzeptieren. So wurden noch in den letzten Tagen die Regeln für den Finanzsektor abgemildert. Leider. Natürlich sind ein Teil der Änderungen am Kommissionsentwurf kritikwürdig. Es ist berechtigt, wenn die Zivilgesellschaft das anprangert. Aber seit Jahren laufen leider die meisten Wirtschaftsverbände gegen das Gesetz Sturm. Gerade deshalb ist der Beschluss heute ein Erfolg!

Bemerkenswert ist die breite Mehrheit im Rat für den Vorschlag. 19 Länder dafür! Ablehnungen und Enthaltungen kamen nur aus Österreich, Belgien, Bulgarien, Estland, Litauen, Niederlande und der Slowakei. Die deutsche Bundesregierung hat unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf dieses gute Ergebnis hingearbeitet. Unser Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat nach Kräften unterstützt. Danke an alle Beamt*innen, die unermüdlich an diesen Verhandlungen gearbeitet haben!

Wie geht es weiter?

Nun muss das Europaparlament seine Position bestimmen. Da geht es – frech gesagt – etwas schlumpfig zu. Voraussichtlich erst im Mai 2023 wird das Europaparlament abstimmen. Hoffentlich wird die Position zum Lieferkettengesetz dadurch noch besser! Meine ehemalige Kollegin im Europaparlament Anna Cavazzini und jetzt Binnenmarktausschussvorsitzende macht sich dafür stark. Danach werden die Mitgliedsstaaten mit dem Europaparlament die Lieferkettenrichtlinie verhandeln. Es dauert also noch, aber: Erfahrungsgemäß ist der Beschluss im Rat der Mitgliedsländer die höchste Hürde für EU-Recht. Diese Hürde ist nun überwunden!

Das ist ein riesiger Erfolg für die tschechische Ratspräsidentschaft und ihren Verhandler und Minister für Industrie und Handel, Jozef Síkela, und vor allem für die Zivilgesellschaft, Kirchen, Gewerkschaften und engagierte Unternehmen, die sich jahrelang dafür eingesetzt haben! Vielen Dank für Eure Arbeit!

Parallel zur Energiekrise arbeiten wir in der Regierung an den Veränderungen für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft. Punkt für Punkt, Gesetz für Gesetz arbeite ich daran hinter den Kulissen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz – wie so viele im ganzen Regierungsteam!

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Haibischl