Am 17. März hat das Europäische Parlament eine Resolution zur Corona-Krise verabschiedet. Den Entwurf dieses Antrags hatten die proeuropäischen Fraktionen – Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne – gemeinsam eingebracht. Damit zeigt das Europaparlament, dass es weiterhin beschlussfähig ist, auch wenn die allermeisten Abgeordneten derzeit nicht zu den Parlamentssitzungen reisen können. Das Funktionieren von Demokratie über Grenzen hinweg ist von großer Wichtigkeit. Denn nur europäische Antworten werden aus dieser internationalen Krise führen. Dagegen hat der Rat der Mitgliedsländer in den letzten Wochen gezeigt, dass die Regierungen jeweils nationale Lösungen bevorzugen, auch wenn dies bei anderen EU-Staaten zu Schäden und Kosten führt.
Die Coronakrise wird in ihren wirtschaftlichen und politischen Folgen massiv unterschätzt. Wenn der wirtschaftliche Abschwung noch länger anhält, wird sich die Coronakrise zu einer erneuten Zuspitzung der Finanzkrise ausweiten. Die Möglichkeiten der EU-Staaten, diese Krise zu bekämpfen, sind sehr unterschiedlich. Und mit Italien, Spanien und Frankreich sind ausgerechnet die Staaten besonders von der Coronakrise betroffen, die schon geschwächt aus der Eurokrise hervorgegangen sind. Die gemeinsame Währung und der gemeinsame europäische Markt wird eine länger anhaltende Krise nur überleben, wenn alle Teile Europas ökonomisch mit einem blauen Auge davonkommen. Wenn Italien und andere Länder durch die Coronakrise schwere Arbeitslosigkeit, massenhafte Unternehmensinsolvenzen und neue Armut erleben, wird dies die europäische Einigung insgesamt beschädigen. Schon jetzt ist in Italien nach einer aktuellen Umfrage die Zustimmung zum Austritt aus der EU auf 49% hochgeschnellt. Die europäische Einigung, der europäische Binnenmarkt und die gemeinsame Währung sind aber der wirtschaftliche und politische Ast, auf dem wir alle gemeinsam sitzen. Daher war für uns Grüne der zentrale Maßstab für die Corona-Resolution der Europaparlaments, ob das Europaparlament diese Bedrohung des europäischen Projekts klar benennt und Instrumente finanzieller Solidarität einfordert, die der Größe der Gefahr für Europa angemessen sind. Denn in erster Linie ist diese Krise eine Solidaritätsprobe für Europa.
Dazu ist die gute Nachricht, dass das Europaparlament sich im Gegensatz zur Großen Koalition in Berlin für Coronabonds ausspricht. Und zwar im Rahmen des europäischen Haushalts. Dieser Vorschlag fand auch die Unterstützung der Liberalen und Christdemokraten:
“19. [Das EU-Parlament] fordert die Kommission auf, im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) ein umfangreiches Konjunktur- und Wiederaufbaupaket für Investitionen zur Unterstützung der europäischen Wirtschaft nach der Krise vorzuschlagen, das über die bereits ergriffenen Maßnahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Zentralbank hinausgeht; ist der Ansicht, dass dieses Paket gelten sollte, solange die durch die Krise verursachten wirtschaftlichen Störungen andauern; ist der Auffassung, dass die notwendigen Investitionen über einen erweiterten MFR, die bestehenden Fonds und Finanzinstrumente der EU und durch den Haushalt der Union garantierte Konjunkturbonds finanziert werden sollten; ist der Ansicht, dass das Paket nicht mit einer Vergemeinschaftung bestehender Schulden einhergehen sollte und dass es auf künftige Investitionen ausgerichtet sein sollte”
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weiter zeigt die Resolution zu vielen anderen Fragen wichtige positive Entschließungen:
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der Europäische Green Deal soll im Mittelpunkt des Wiederaufbauprogramms stehen und die Wiederaufbaumaßnahmen sollen im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität Europas stehen;
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die Forderung nach einem gestärkten EU-Haushalt und gestärkten EU-Eigenmitteln (wie z.B. Steuern und Abgaben, die dem EU-Haushalt zufließen);
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die Forderung nach höherer Eigenkapital-Einzahlung in die Europäische Investitionsbank;
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unterstützt wird die Wiedereingliederung von Lieferketten in die EU und die Steigerung der Produktion wichtiger Produkte wie Arzneimittel, pharmazeutische Inhaltsstoffe, Medizinprodukte, medizinische Ausrüstung und medizinische Materialien in der EU;
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ausdrückliche Kritik an den jüngsten Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Polen und Ungarn samt der Forderung an die EU-Kommission Sanktionen auf den Weg zu bringen;
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kritisiert die Lage auf den griechischen Inseln für die Flüchtlinge, benennt die Ansteckungsrisiken dort und fordert die Situation u.a. über Evakuierung und Umsiedlung (“resettlement”) zu lösen.
Zusammenfassend hat das Europaparlament in vielen Punkten eine fortschrittliche und pro-europäische Resolution beschlossen.
Das Europaparlament ist weit fortschrittlicher als die Europapolitik der Großen Koalition in Deutschland.
Und trotzdem ist diese Resolution nicht gut genug! Die wirtschaftliche Krise steht uns erst noch bevor!