Das Wasser – ein Wunderelixier – Teil 2

von Gastautor Dr. Rainer Köhne – Teil 2

2. Der Grund für die Eigenschaften des Wassers

Die meisten von uns werden sich wahrscheinlich noch erinnern: Wasser – das ist H zwei O, in der chemischen Summenformel H2O geschrieben: 1 Sauerstoffatom (O) und 2 Wasserstoffatome (H). Alle seine erstaunlichen Eigenschaften haben den selben Grund.

Zunächst ein kleiner Ausflug in die Physik und Chemie: Die Atome bestehen aus einem positiven Kern und negativen Elektronenhüllen. Für die chemischen Prozesse und damit die Bildung von Stoffen sind nur die Elektronen der äußeren Hülle maßgeblich. Bei den Edelgasen (Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon und Radon) ist die äußere Hülle immer mit 8 Elektronen besetzt – Helium ausgenommen, wo mit 2 Elektronen die erste und einzige Hülle vollbesetzt ist. Sie sind besonders stabil und gehen keine anderen Verbindungen ein. Bei der Bildung von Verbindungen wird daher diese stabile „Edelgaskonfiguration“ (8 Elektronen in der Außenhülle) angestrebt.

Beim Wasser haben die beiden Wasserstoff Atome jeweils nur ein Elektron, während der Sauerstoff 6 Elektronen in der äußeren Hülle hat. Insgesamt hat damit das Wassermolekül 8 gemeinsame Elektronen, die von den positiven Atomkernen angezogen werden, wodurch letztlich die Atome zusammen halten (Atombindung). Wir erinnern uns, gleichnamige elektrische Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. Da es aber auch die (schwächere) Abstoßung der Elektronen untereinander gibt, ist das Wassermolekül mit ca. 104 Grad gewinkelt (Bild 4).

Bild 4	Wassermolekül (Dipolbildung)
Bild 4 Wassermolekül (Dipolbildung)

Wie bei den Edelgasen werden auch beim Sauerstoff 8 Elektronen in seiner Aussenhülle angestrebt. Dadurch werden die beiden Elektronen des Wasserstoffs etwas näher an den Sauerstoffkern gezogen. Das nach außen elektrisch neutrale Molekül bekommt auf der Sauerstoffseite eine kleine negative Ladung δ – , auf der Wasserstoffseite eine positive Ladung δ +. Das Molekül hat dadurch einen positiven und negativen Pol, es wird zum sog. Dipol. Das ist der Grund für die besonderen Eigenschaften des Wassers (Bild 4).

Wie kommt es zu der hohen Wärmekapazität und Anomalie des Wassers? Auf Grund des Dipolcharakters entstehen Wassermolekül Aggregate (Anlagerungen, Anhäufungen) aus 2 bis 8 Molekülen. (Bild 5).

Bild 5	Wasserstoffbrücken Bildung durch die Wasserdipole (Raimund Apfelbach, Wikimedia Commons, public domain)
Bild 5 Wasserstoffbrücken Bildung durch die Wasserdipole
(Raimund Apfelbach, Wikimedia Commons, public domain)

Die schwach positiv geladenen Wasserstoffatome (grau) werden durch die schwach negativ geladenen Sauerstoffatome (rot) des benachbarten Wassermoleküls angezogen Es bilden sich zwischen den Molekülen sog. „Wasserstoffbrücken“ (in Bild gestrichelt gezeichnet).

Die Molekülaggregate sind räumlich den Kochsalzkristallen (Natriumchlorid, NaCl) ähnlich. Das Natrium (Na) hat 1 Elektron, das Chlor (Cl) 7 Elektronen in seiner Außenhülle. Um bei einer Verbindung die stabile Edelgaskonfiguration (8 Elektronen in der Außenhülle) zu erreichen, gibt Na das eine Elektron seiner äußeren Hülle ab, das vom Cl aufgenommen wird. Sie werden also zu positiv geladenen Natrium (Na) Ionen und negativ geladenen Chlor (Cl) Ionen (Ionenbindung) und sitzen fest im Kristallgitter. Die Wassermoleküle sind dagegen beweglich. Dennoch ist durch die Aggregation ihre Beweglichkeit etwas geringer. Dadurch ist eine sehr hohe Energiemenge nötig, um das Wasser zu erwärmen (Auflösen der Aggregate, die Moleküle bewegen sich schneller) und schließlich zu verdampfen. Das bewirkt die hohe Wärmekapazität und die hervorragenden Speicher-Eigenschaften des Wassers.

Gasförmige und flüssige Stoffe dehnen sich mit zunehmender Temperatur aus, ihr ursprüngliches Volumen nimmt zu und damit die Dichte ab. Der Stoff wird also leichter (man denke an warme aufsteigende Luft). Bei abnehmender Temperatur ist es umgekehrt. Das Volumen nimmt ab und die Dichte zu, er wird schwerer. Das ist auch beim Wasser so, die Wasserstoffbrücken werden mit steigender Temperatur nacheinander aufgelöst, das Volumen nimmt zu und die Dichte ab.
Bei sinkender Temperatur gibt es jedoch einen Unterschied. Zunächst nimmt die Anzahl der Achter Aggregate gegenüber den kleineren zu, der größere Raumbedarf führt zu einer Dichteabnahme. Gleichzeitig rücken aber die Moleküle in den Aggregaten zusammen, was einer Dichteerhöhung entspricht. Der erste Effekt ist etwas kleiner als der zweite, so dass insgesamt eine Dichteerhöhung resultiert.
Bei 4° C sind beide Effekte gleich groß, so dass wir ein Dichtemaximum bekommen. Das Wasser ist also hier am schwersten. Bei weiterer Abkühlung überwiegt wieder der erste Effekt, die Dichte nimmt weiter ab. Beim Gefrieren schließen sich alle Wassermoleküle sprunghaft zu einem Ring in einer 6-eckigen Form zusammen. Dabei ist jedes Molekül ebenfalls Teil von benachbarten Ringen. In diesem Gitter existieren Hohlräume, wodurch das Volumen um 9% zunimmt. Das Eis schwimmt also an der Oberfläche. Dass Schneeflocken in vielen Formen und nicht nur in 6- eckiger Form vorkommen, hängt von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ab.

In Bild 6 ist dieser Vorgang anschaulich dargestellt. Kühlt sich ein Gewässer im Winter ab, so wird das Wasser bei 4°C auf Grund seiner maximalen Dichte nach unten absinken. Darüber haben wir die wärmeren, leichteren Wasserschichten. Fällt die Temperatur weiter unter 1°C fängt die Oberfläche an zu gefrieren.

Bild 6 Wasserschichtung in einem zufrierenden See
Bild 6 Wasserschichtung in einem zufrierenden See

Sinkt die Temperatur noch weiter, wird die Eisschicht dicker, wobei sie wegen ihrer schlechten Wärmleitfähigkeit isolierend wirkt. Das Wasser gefriert also immer von oben nach unten und selten bis zum Grund („Wasser-Anomalie“). Das ist für die Entwicklung der Lebewesen im Wasser sehr wichtig gewesen, denn anderenfalls wären sie erfroren oder von den Eisschichten erdrückt worden. Fische und andere Lebewesen können so den Winter überstehen.

Eine weitere wichtige Eigenschaft ist das hohe Lösungsvermögen. In den Zellen von Lebewesen ist das Wasser zuständig für den Nährstoff und Stoffwechsel Transport und den Abtransport von Abfall Produkten. Das Blutplasma besteht aus 95% Wasser. Auch für das Lösungsvermögen ist der Dipolcharakter verantwortlich.
In Bild 7 ist die Kristallstruktur des Kochsalzes (NaCl) zu sehen. Bringt man Kochsalz in Wasser, so passiert folgendes:

Bild 7 Struktur des Kochsalzes NaCl im Kristallgitter (Benjah-bmm27, Wikimedia Commons, public domain)

An den positiven Na-Ionen Na+ an der Außenseite des Kristalls lagern sich die Wasserdipole mit ihren negativen Ladungsseiten (Sauerstoff) an (Bild 8). Durch ihre Anziehungskraft können sie die Na Ionen aus dem Salzkristall heraus trennen.
Dasselbe gilt für die negativen Chloridionen. Hier lagert sich der Wasserstoff mit seinen positiven Ladungsseiten an. So werden nach und nach alle Natrium- und Chloridionen herausgelöst und sind dann im Wasser frei beweglich.

Bild 8     Dissoziation (Trennung) von Kochsalz in Wasser                                      			(Taxmann, Wikimedia Commons, public domain)
Bild 8 Dissoziation (Trennung) von Kochsalz in Wasser
(Taxmann, Wikimedia Commons, public domain)

Das Wasser wurde schon früh von den Menschen gewürdigt und in der Musik und Dichtkunst besungen. Es gibt eine Reihe von Volksliedern, in denen das Wasser eine Rolle spielt ( z.B. „An der schönen blauen Donau“, „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Ich hört ein Brünnlein rauschen“) , klassisch-romantische Lieder bzw. Kompositionen z.B. von Schubert ( „In einem Bächlein helle“, „Ich hört ein Bächlein rauschen“, ), von Smetana „Die Moldau“, die Oper „Undine“ von Lortzing bis hin zu den bekannten und beschwingten Schlagern wie „I’m singing in the rain“, „Rain drops keep falling on my head“, oder das schöne, stimmungsvolle
La Mer
“.

Besonders eindrucksvoll ist, was der Dichter Goethe uns dazu sagt. In Faust II, 2. Akt lässt er den griechischen Philosophen Thales zum Meeresgott Nereus sagen:

Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!
Alles wird durch Wasser erhalten!
Ozean, gönn uns dein ewiges Walten.

Wenn du nicht in Wolken sendetest,
Nicht reiche Bäche spendetest,
Hin und her nicht Flüsse wendetest,
Die Ströme nicht vollendetest,
Was wären Gebirge, was Ebnen und Welt?
Du bist’s, der das frischeste Leben erhält.

Die Menschheit gefährdet ihre lebenswichtige Ressource Wasser gleich zweimal:

Einmal durch die Luftverschmutzung und die damit verbundene Klimaerwärmung. Bei uns zu wenig Regen mit den Folgen trockener Sommer und Missernten. In den südlichen Ländern zu viel Regen, was zu Überschwemmungen und Erdrutschen führt.
Zum anderen durch die Verschmutzung des Wassers selber: Der Verunreinigung des Grundwassers, der Flüsse und die Verschmutzung der Meere.

1993 wurde von den Vereinten Nationen der Weltwassertag (22. März) ins Leben gerufen mit den Zielen „Sauberes Wasser“, Gewässerschutz“, „Versorgung“ und vieles mehr. 2015 wurde noch viel umfassender von der internationalen Staatengemeinschaft die Agenda 2030 verabschiedet. Sie sieht vor, dass gültig für alle Länder dieser Erde 17 SDG (Sustainable Development Goals, nachhaltige Entwicklungsziele) erreicht werden sollen: „Keine Armut“, „kein Hunger“, „Gesundheit“, „Maßnahmen für den Klimaschutz“ (umgehende Maßnahme!) aber auch „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“ (SDG 6).

Wir alle müssen es uns daher zu eigen machen wie lebenswichtig es ist, unser „Raumschiff Erde“, ein echtes Paradies in dem leeren und lebensfeindlichen Weltraum, zeitnah und mit allen Mitteln zu schützen und dafür einen Verzicht auf mehr Wachstum, Konsum und sonstige Annehmlichkeiten hinzunehmen.

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Eine Antwort auf „Das Wasser – ein Wunderelixier – Teil 2“

  1. Wunderbar, Rainer Köhne ruft altes Wissen ins Gedächtnis zurück und lässt bei sorgfältigem Lesen staunen über diesen verrückten Stoff Wasser! Es wird klar warum dieses Molekül mit den höchst sonderbaren Eigenschaften immer noch als unerlässliche Grundlage für höher entwickeltes Leben im Universum gilt!

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Haibischl